Heinrich Manns Roman „Der Untertan“, erstmals veröffentlicht im Jahre 1918, gilt als eines der bedeutendsten Werke der deutschen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. Heinrich Mann, der ältere Bruder von Thomas Mann, war ein kritischer Beobachter seiner Zeit und setzte sich in seinen Werken intensiv mit den politischen und sozialen Verhältnissen des Kaiserreichs auseinander. „Der Untertan“ ist eine scharfsinnige Satire auf das wilhelminische Deutschland und beleuchtet die Mechanismen von Autorität, Unterwerfung und Konformität. Diederich Heßling, der Protagonist, verkörpert die gefährlichen Auswüchse von Konformität und opportunistischem Verhalten, die in jeder Epoche und Gesellschaft auftauchen können.
Der Roman wurde kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs veröffentlicht und reflektiert die politischen und gesellschaftlichen Spannungen dieser Epoche. Manns Werk kann als Vorahnung der extremen politischen Entwicklungen in Deutschland verstanden werden, die später im Nationalsozialismus ihren Höhepunkt fanden. „Der Untertan“ beleuchtet die Grundlagen des autoritären Denkens und den blinden Gehorsam, der in der deutschen Gesellschaft tief verwurzelt war. Diese Themen machen den Roman auch heute noch hochaktuell, da sie die zeitlosen Mechanismen von Autoritarismus, Nationalismus und Rassismus aufzeigen.
Diederich Heßling wächst in der fiktiven preußischen Kleinstadt Netzig auf. Er ist ein körperlich schwaches Kind und erlebt eine strenge Erziehung durch seinen autoritären Vater, einen strengen Papierfabrikbesitzer. Diese strengen und oft demütigenden Erfahrungen prägen Diederichs Persönlichkeit, indem er lernt, Macht zu respektieren und selbst danach zu streben. Er verachtet seine Mutter für ihre Schwäche und Hilflosigkeit. Nach dem Abitur zieht Diederich nach Berlin, um Chemie zu studieren. In Berlin tritt er der schlagenden Studentenverbindung „Neuteutonia“ bei, die seinen Sinn für Autorität und Konformität weiter verstärkt. Hier erlebt er die Macht der Gruppe und die Bedeutung von Loyalität und Kameradschaft. Diederichs Vater stirbt während seines Studiums, und er kehrt kurzzeitig nach Netzig zurück, um die familiären und geschäftlichen Angelegenheiten zu regeln. Nach seinem Studium und einer kurz unterbrochenen Militärzeit, die er durch eine vorgetäuschte Krankheit beendet, übernimmt Diederich die Leitung der väterlichen Papierfabrik in Netzig. Er beginnt seine politische und soziale Karriere, indem er sich mit einflussreichen Persönlichkeiten anfreundet und strategische Beziehungen aufbaut. Diederich nutzt jede Gelegenheit, um seine Macht zu festigen. Er geht eine Beziehung mit Agnes Göppel ein, der Tochter eines einflussreichen Bürgers, beendet diese jedoch, als sie seiner Karriere im Weg steht. Stattdessen wendet er sich Guste Daimchen zu, einer verlobten und wohlhabenden Frau. Durch seine geschickte Manipulation und Opportunismus gelingt es ihm, verschiedene politische und gesellschaftliche Krisen zu seinem Vorteil zu nutzen, einschließlich eines Vorfalls, bei dem ein Arbeiter vor dem Regierungsgebäude erschossen wird. Diederichs Begegnung mit dem Kaiser verstärkt seine kaiserliche Verehrung und beeinflusst maßgeblich seine weiteren Entscheidungen. Er initiiert die Errichtung eines Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Netzig und wird zu einem führenden Bürger der Stadt. Die Enthüllung des Denkmals und die dabei gehaltene Rede markieren den Höhepunkt seiner Karriere. Der Roman endet mit Diederichs Hochzeitsreise nach Zürich und seiner impulsiven Entscheidung, dem Kaiser nach Rom zu folgen, wo er ihm bei verschiedenen öffentlichen Auftritten zujubelt. Nach der Rückkehr nach Netzig bleibt Diederichs Einfluss und Macht unangefochten.
In seiner Kindheit zeigt sich Diederich als ein unsicheres und ängstliches Kind, das früh lernt sich der Autorität zu beugen. Er wird als ein „weiches Kind“(S.9) beschrieben, das ständig in Angst vor höheren Mächten lebt. Diese Angst formt seine Persönlichkeit und führt dazu, dass er Autoritäten wie den Vater oder Lehrer nicht nur fürchtet, sondern auch respektiert und nachahmt. Diederich ist dabei „ergeben und willfährig“ (S. 12) gegenüber denen, die Macht ausüben, während er gleichzeitig gegenüber Schwächeren subtile Manipulationen und Streiche ausführt. Sein Studium in Berlin ist eine Zeit der Selbstfindung und des sozialen Aufstiegs für Diederich. Die Mitgliedschaft in der Studentenverbindung „Neuteutonia“ spielt dabei eine zentrale Rolle. In dieser Gemeinschaft erlebt er das Gefühl kollektiver Stärke und Sicherheit. Die Verbindung stärkt sein Selbstvertrauen durch gemeinsame Rituale und das Trinken, das ihm hilft, sich „auf die Höhen des Lebens befördert“ (S.34) zu fühlen.
Im Militär findet Diederich zunächst eine Struktur, die ihm zusagt, doch die physischen Anforderungen überfordern ihn. Seine „selbstmörderische Begeisterung" (S. 49) und „freudige Unterwerfung" (S. 51) weichen schnell der Realität seiner körperlichen und mentalen Grenzen. Seine Entscheidung, sich durch das Vortäuschen von Krankheiten dem Dienst zu entziehen, unterstreicht seine Feigheit und seinen pragmatischen Opportunismus. Zurück bei den Neuteutonen, lügt er über seine Erfahrungen, was seine Tendenz zur Selbstdarstellung und Manipulation der Wahrheit offenbart.
Als Geschäftsmann und politischer Akteur in Netzig entfaltet Diederich schließlich sein vollständiges Potenzial als Opportunist und Machtmensch. Er nutzt jede Gelegenheit, um seine Position zu festigen und schreckt nicht vor Manipulation, Intrige oder sogar vor der Unterstützung von Gewalt zurück, wenn sie seiner Sache dient. Seine Reaktion auf die Erschießung eines Arbeiter von einem Wachtposten - er empfindet sie als „etwas direkt Großartiges, sozusagen Majestätisches“ (S. 144) - zeigt seine tiefe Bewunderung für unkontrollierte Macht und seine Bereitschaft, Gewalt zu unterstützen, wenn sie seinen ideologischen Überzeugungen entspricht.
Durch die Figur des Diederich Heßling werden die Auswirkungen des extremen Nationalismus und der rassistischen Ideologien, die das wilhelminische Deutschland prägten, aufgezeigt. Heßlings Kommentare über eine „spartanische Zucht der Rasse“(S.385) und seine Ablehnung gegenüber „ewigem Frieden“(ebd) zeigen die Verherrlichung von Krieg und Gewalt als Mittel zur Stärkung einer angeblich überlegenen nationalen Identität. Diese rassistischen und eugenischen Theorien, die Heßling vertritt, spiegeln eine Gesellschaft wider, die besessen von Reinheit und Leistung ist. Insbesondere seine Forderung, „Blödsinnige und Sittlichkeitsverbrecher“(ebd) durch chirurgische Eingriffe von der Fortpflanzung auszuschließen, weist auf die damals populären, aber wissenschaftlich unhaltbaren eugenischen Theorien hin, die später von den Nationalsozialisten zu noch extremeren und tragischen Konsequenzen geführt wurden. Darüber hinaus zeigt sein Lob der deutschen Nation als „Elite unter den Nationen“(S.467) die Gefahren eines übersteigerten Nationalstolzes, der andere Kulturen abwertet und die eigene Nation als überlegen darstellt.
Diederich Heßling repräsentiert den idealen Untertanen, der Autorität über alles stellt und sich selbst unterwirft, um Macht zu erlangen. Heinrich Mann zeigt eine Gesellschaft auf die bereit ist, sich blind atoritären Führern und starren Hierarchien zu unterwerfen. Diederichs Ehrfurcht vor dem Kaiser und seine Nachahmung dieser absoluten Macht verdeutlichen eine gefährliche Neigung zur Idolatrie und zu einem Kult der Persönlichkeit, der kritische Reflexion und individuelle Verantwortung untergräbt.
Heinrich Mann stellt in seinem Roman die allgegenwärtige Haltung des Opportunismus und Konformismus in der wilhelminischen Gesellschaft dar, verkörpert durch Diederich Heßling. Diederichs Leben ist geprägt von einer ständigen Anpassung an die Meinungen und Stimmungen, die ihm Vorteile versprechen. Diese Flexibilität zeigt sich in seiner Bereitschaft, Werte und Überzeugungen zu ändern, was vor allem eine tiefe moralische Leere offenbart.
Heinrich Mann nutzt in „Der Untertan“ die satirische Darstellung, um die gesellschaftlichen und politischen Missstände seiner Zeit zu beleuchten. Durch den Einsatz von starken Kontrasten, Ironie und Übertreibung, wie in der übertriebenen Beschreibung der Kaisertreuen, die oft als „eisern und blitzend“ (S. 361) oder mit „tiefem Ernst, der seine Züge versteinerte“ (S. 61) charakterisiert werden, kritisiert er scharf die autoritäre und unterwürfige Kultur des Wilhelminischen Deutschlands.
Die Gegensätze zwischen den politischen Ideologien der Zeit werden durch die differenzierte Darstellung der Charaktere unterstrichen. Der liberale alte Buck wird als „überraschend zartfleischig“ (S. 46) und „warm“ (S. 46) beschrieben, was ihn deutlich von den kaisertreuen Charakteren abhebt, deren Beschreibungen Kälte und Härte suggerieren
Ein zentrales Element mit dem Diederich Heßlings Doppelmoral und Widersprüchlichkeit aufgedeckt wird ist die Ironie. Manns Erzählhaltung ist subtil spöttisch, was dazu beiträgt, die Absurdität der gesellschaftlichen Zustände und Verhaltensweisen zu enthüllen. Ein Beispiel dafür ist die Darstellung von Diederichs scheinbarer Gerechtigkeit und Fürsorge als Vater. Der Erzähler beschreibt wie Diederich „ein gerechter Vater“ sein möchte und jedem seiner Kinder ein Konto anlegt, „noch bevor es da war, und trug vorerst die Kosten der Ausstattung und der Hebamme ein“(S.442). Diese Beschreibung enthüllt ironisch Diederichs materialistische und berechnende Natur, die im krassen Gegensatz zu den traditionellen Werten von Fürsorge und elterlicher Liebe steht. Darüber hinaus nutzt Mann die Ironie, um die Selbstüberschätzung und den Opportunismus von Diederich zu kritisieren. Zum Beispiel wird Diederich in einer Szene als „rot wie eine Tomate“ beschrieben, die sich selbst als „germanischer Krieger“ sieht (S. 368). Dieser Vergleich ist humorvoll überzogen und zeigt, wie lächerlich Diederichs Selbstbild ist, besonders im Kontrast zu seiner tatsächlichen Feigheit und Unterwürfigkeit. Ein weiteres prägnantes Beispiel für Manns ironische Erzählweise ist die Beschreibung einer öffentlichen Rede von Diederich, in der er das Kaiserreich Napoleons III. kritisiert und dabei unbewusst seine eigenen negativen Eigenschaften auf die Franzosen projiziert: „Hier unternahm Diederich es, zu malen, wie es in dem demokratisch verseuchten, daher von Gott verlassenen Reich Napoleons des Dritten ausgesehen habe... Von alldem wissen wir nichts!“ (S. 468f.). Diese Rede zeigt nicht nur Diederichs Unfähigkeit zur Selbstreflexion, sondern auch die Ironie der Situation, da die Kritikpunkte ebenso auf das Deutschland seiner Zeit zutreffen.
Persönliche Meinung:
„Der Untertan“ bleibt auch heute noch nach 106 Jahren ein äußerst relevantes Werk. Die Kritik an dem Autoritarismus, der blinder Gefolgschaft und den Gefahren von Nationalismus und Rassismus ist in aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen wieder zu finden. Diederich Heßling steht als Symbol für die gefährlichen Auswüchse von Konformität und opportunistischem Verhalten, die in jeder Epoche und Gesellschaft auftauchen können. Die Satire und Ironie, die Mann in seinem Werk verwendet, machen den Roman zu einem zeitlosen Mahnmal gegen die Unmündigkeit und den Verlust der individuellen Verantwortung. Das Werk zeigt eindrucksvoll, dass der Faschismus über die Jahre hinweg das gleiche Gesicht hat.
Wenn man Sophokles‘ Antigone als Archetyp einer feministischen literarischen Figur bezeichnen kann, die sich gegen die patriarchalische Autorität des Königs Kreon auflehnt, indem sie ihren Bruder Polyneikes trotz Kreons Verbot bestattet, dann könnte man Heinrich Manns Untertan als Archetyp des AfD-Wählers bezeichnen. Diederich Heßling weist viele Parallelen zu heutigen AfD-Wählern auf, die in mehreren Aspekten seiner Persönlichkeit und seiner Handlungen erkennbar sind.
Zunächst zeigt Diederich eine Starke Neigung zu autoritären Führungsstilen, was auch bei vielen AfD-Wählern zu beobachten ist. Ähnlich wie Diederich, der stets die Autorität seiner Vorgesetzten anerkennt und selbst autoritäre Strukturen in seinem Umfeld aufbaut „Wer treten wollte, mußte sich treten lassen, das war das eherne Gesetz der Macht.“ (S.400), suchen auch viele AfD-Wähler nach starker, durchsetzungsfähiger Führung.
Ein weiteres Merkmal ist das Misstrauen gegenüber den Medien, das Diederich offen zeigt, als er einem Journalisten vorwirft: „Das wissen wir besser als Sie“ und „Sie saugen sich das ja doch nur aus ihren Hungerpfoten“ (S.154). Diese Haltung spiegelt die oft geäußerte Kritik der AfD-Wähler an der sogenannten „Lügenpresse“ wider.
Diederichs Einstellung gegenüber politischen Gegnern ist ein weiterer Punkt, der eine Parallele zu AfD-Wählern aufzeigt. So bezeichnet er Sozialdemokraten als „Feind[e] meines Betriebes und Vaterlandsfeind[e]“ (S. 107), was die scharfe Ablehnung und das Misstrauen gegenüber politischen Gegnern und demokratischen Institutionen bei AfD-Wählern widerspiegelt.
Auch in seinem Umgang mit Minderheiten zeigt Diederich eine Intoleranz, die an die fremdenfeindlichen Tendenzen erinnert, die bei vielen AfD-Wählern und -Politikern zu beobachten sind. Als Diederich den einzigen jüdischen Mitschüler in seiner Klasse erniedrigt (S. 15), oder auch als er sagt: „So ein Judenbengel, der sich aufspielt! Einfach ekelhaft! […] Das sind unsere schlimmsten Feinde! Die mit ihrer sogenannten feinen Bildung, die alles antasten, was uns Deutschen heilig ist! Solch ein Judenbengel kann froh sein, dass wir ihn dulden“ (S. 83), zeigt sich seine Bereitschaft, Minderheiten zu schikanieren und zu diskriminieren.
Seine Autoritätsgläubigkeit, sein Misstrauen gegenüber den Medien, seine Feindseligkeit gegenüber politischen Gegnern und seine Intoleranz gegenüber Minderheiten machen ihn zu einem prototypischen Vertreter einer Haltung, die den Kern der AfD prägt. Heinrich Manns „Der Untertan“ bietet somit nicht nur eine historische Charakterstudie, sondern auch einen zeitlosen Blick auf bestimmte politische und soziale Einstellungen, die bis heute relevant sind.
Eine der größten Stärken des Romans liegt in Manns Nutzung von Satire und Ironie. Durch diese stilistischen Mittel gelingt es ihm, die Absurditäten und Widersprüchlichkeiten der Gesellschaft treffend zu entlarven. Der Charakter Diederich Heßling ist ein hervorragend konzipiertes Beispiel für die Personifizierung gesellschaftlicher und politischer Mängel. Ein weiterer Pluspunkt ist die Tiefe und Vielschichtigkeit der Figuren. Mann gelingt es, auch Nebenfiguren lebendig und bedeutungsvoll darzustellen, was die Gesamtdynamik des Romans verstärkt und die dargestellten Konflikte glaubwürdig macht. Zudem ist die Sprache des Romans prägnant und kraftvoll, was die satirische Wirkung verstärkt.
Für Leser, die eine fesselnde Handlung erwarten, wird das Werk jedoch enttäuschend sein, da es eher auf Charakterstudien und gesellschaftliche Analysen fokussiert ist.
Dennoch ist "Der Untertan" besonders wertvoll für alle, die sich für die wilhelminische Zeit interessieren. Es bietet nicht nur eine historische Perspektive, sondern auch tiefgehende Einsichten in die gesellschaftlichen Mechanismen und Ideologien dieser Epoche.
„Der Untertan“ von Heinrich Mann ist auch nach über einem Jahrhundert ein Werk von bemerkenswerter Relevanz. Durch die satirische Darstellung von Diederich Heßling und seine Verstrickung in autoritäre Strukturen und Ideologien kritisiert Mann die politischen und sozialen Missstände seiner Zeit – Kritik, die auch heute noch aktuell ist.
Fazit:
Heinrich Manns Roman „Der Untertan“ zeigt, wie Autoritarismus, blinde Gefolgschaft und Nationalismus zeitlose Probleme sind, die in jeder Gesellschaft präsent sind. Manns satirischer Ton und die Ironie machen es zu einer Anklage gegen das fehlende Verantwortungsbewusstsein und die Unmündigkeit des Einzelnen
Mit der detaillierten Charakterisierung Diederichs und den gekonnt eingesetzten stilistischen Mittel, gelingt es Mann, eine tiefgründige und vielschichtige Erzählung zu schaffen, die sowohl historisch als auch gegenwartsbezogen höchst relevant ist. Obwohl der Fokus des Romans in ersten Linie nicht darauf liegt eine spannende Handlung zu schaffen, sondern darauf, gesellschaftliche Strukturen zu analysieren, ist „Der Untertan“ ein wichtiges literarisches Werk für diejenigen, die sich mit der wilhelminischen Epoche und deren Parallelen in der Gegenwart auseinandersetzen wollen.
Manns Werk bietet somit nicht nur eine historische Charakterstudie, sondern auch einen zeitlosen Blick auf politische und soziale Einstellungen, die bis heute relevant sind. Diederich Heßling als Prototyp des autoritätsgläubigen, opportunistischen und intoleranten Individuums zeigt auf, wie gefährlich solche Haltungen für die Gesellschaft sind. Er weist viele Parallelen zu heutigen AfD-Wählern auf, die ähnliche Merkmale in ihrer Persönlichkeit und ihren Handlungen zeigen. Somit ist der Roman eine eindringliche Mahnung an die Leserinnen und Leser, über ihre eigenen Einstellungen und ihren gesellschaftlichen Umfeld kritisch nachzudenken und sich für eine verantwortungsbewusste und reflektierte Gesellschaft einzusetzen.
Ja, Zustimmung, aber ich fürchte, dass Opportunismus und die Unfähigkeit zur Selbstreflexion auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums zuhause ist. Die Grünen und Bunten und Linken sind heute ebenso allzu oft Teile eines gerichteten Stromes, und wenn jemand anders denkt, verstehen sie gar nicht, wie denn das sein kann, und sind schnell dabei, ihn in die rechtsextreme Ecke zu stellen. Uniforme Regenbogen-Pracht, Aufmärsche "gägän rääächz" wegen einer "Wannseekonferenz", die gar nicht so war, wie behauptet, und die kritiklose Befürwortung einer unkontrollierten Masseneinwanderung, sowie der Glaube, dass Sonne und Wind schon keine Rechnung schicken werden, sondern dass die Welt untergeht, wenn wir nicht "in zehn Jahren" dies oder jenes radikal über's Knie gebrochen haben. Manchmal auch "in fünf Jahren" (aber das sagen Politiker ungerne, weil das zu nahe an die aktuelle Legislaturperiode rührt). Der Slogan "Folgt der Wissenschaft" ist heute der Ruf der Lemminge, die sich ihre "Wissenschaft" vorher sorgfältig handverlesen haben. Was früher die Errichtung eines Kaiser-Wilhelm-Denkmals war, ist heute die Errichtung eines Solarparks, eines Windrades, oder von Elektrozapfsäulen, für Elektroautos, die sich niemand leisten kann. Außer den heutigen Diederich Heßlings, die es sich leisten können. Und auch heute werden Schmähreden Richtung Frankreich gehalten: Dort setzt man noch auf Atomkraft. - Kurz und gut: Der Opportunismus und die Anpasserei können in jedem politischen Lager zuhause sein und sind es auch. Was wir brauchen, sind echte Querdenker, und eine Kultur des Querdenkens, die es schätzt und begrüßt, wenn eine Meinung quer steht, und fragt und wissen will, ob daran nicht etwas Wahres ist, bevor es verdammt wird.
Ja, da stimme ich dir zu, Opportunismus und die Unfähigkeit zur Selbstreflexion sind an beiden Rändern des politischen Spektrums zu finden. In meiner Rezension habe ich mich nur auf die eine Seite konzentriert, da ich Rassismus, Nationalismus, Kaisertreue und die Tatsache, dass die Hauptfigur ein Fabrikbesitzer ist, nicht mit dem Milieu verbinde, das du beschreibst.
Ich würde mich freuen eine Rezension von dir zu lesen. Deine Perspektive wird interessante Aspekte beleuchten.